In den vergangenen Monaten beschäftige mich wieder einmal ein Bikeprojekt. Im Winter bin ich – schon wie in der vergangenen Saison – nur noch mit dem 29er-Hardtail (2016er Transition TransAM) gefahren und mein 29er-Trailbike (2012er Specialized Stumpjumper FSR 29 EVO) habe ich zerlegt und den Rahmen sowie einige nicht mehr benötigte Komponenten verkauft. Ziel war es wieder ein aggressives 29er-Fully mit mittlerem Federweg aufzubauen und dabei einige Teile wie Gabel, Laufräder, Bremsen, vom alten Bike wiederzuverwenden. Das Angebot an 29er-Trailbikes hat sich in den vergangen Jahren ja deutlich erhöht, die Geometrien haben sich weiterentwickelt – meiner Meinung nach ist derzeit, zumindest von den Berichten und der Werbung im Internet ein richtiger Trailbike-Hype zu beobachten. Es ist wohl so wie bei der Mode, alles kommt irgendwann wieder. Vor 10 Jahren ist man All-Mountain gefahren, danach kam der Enduro-Trend und das Trailbike ist wohl jetzt die Reinkarnation vom All-Mountain. Den Enduro-Trend hab ich übersprungen. Ein 29er-Trailbike kann vieles genauso gut, wie ein Enduro.
Zur Auswahl standen einige Bikes:
- Santa Cruz Hightower 29
- YT Jeffsy 29
- Nukeproof Mega 290
- 2016er Banshee Prime
- 2017er Banshee Prime
- 2017er Specialized Enduro 29
- 2017er Specialized Stumpjumper FSR 29
Da ich zumindest in meiner Rahmengröße XL keines der genannten Bikes probefahren konnte, hab ich mich auf die Geometrietabellen gestürzt (die ich mittlerweile fast auswendig kenne) und diese mit meinen bisherigen Bikes bzw. mit meinem ausgezeichnet passenden Hardtail verglichen. Am alten Bike hatte ich ein paar Kritikpunkte, die sich großteils auch erst durch meine Umbauarbeiten in den vergangenen Jahren ergeben bzw. verstärkt haben:
- Durch den Einbau einer 150 mm Gabel (Standard war 130 mm) und den Umbau auf Evo-Wippe bzw. Rockshox Monarch+ hab ich den Lenkwinkel insgesamt ganze 2° abgeflacht (von 69° auf 67°). Das gleiche ist natürlich auch mit dem Sitzwinkel passiert und trotz ganz vor geschobenem Sattel war die Bergaufperformance suboptimal.
- Der Rockshox Monarch+ Debon Air war schwierig unter 30-35% Sag zu bekommen – unabhängig vom Dämpferdruck. Das ganze Bike ist bergauf hinten gern zu sehr im Federweg eingesunken, was in Summe die schon ungünstige Klettergeometrie noch verschlechtert hat.
- Die längere Gabel hat auch den Reach verkürzt, von ursprünglich 466 mm auf 453 mm. Das sind mittlerweile eher Reach-Werte für einen L-Rahmen als XL.
Gesucht war somit ein Rahmen mit:
- … einem Reach um die 480 mm oder mehr
- … einem Lenkwinkel um die 66,5°
- … Kettenstreben in mittlerer Länge (435 – 445 mm)
- … einem Sitzrohr, das genug versenkbare Länge für eine Vecnum Moveloc 200 bietet
- … einem für mich optisch ansprechenden Aussehen!
Weiters stand auf der Nice-to-have-Liste:
- Rahmen bzw. Framekit (Rahmen inkl. Dämpfer) verfügbar weil ich sehr viele Komponenten wiederverwenden wollte
- Potenter Dämpfer bereits im Framekit verfügbar
- VPP-Hinterbau bzw. kein Hinterbau mit Horstlink wie der Specialized FSR (nicht weil der schlechter ist, ich wollte einfach mal etwas anderes ausprobieren)
- Flaschenhalter
- Möglichkeit einen Umwerfer zu montieren
- Gewicht des Komplettbikes möglichst weit unter 15 kg
- Preis für das Framekit im Bereich von 2.000 Euro
- Last but not least: Ein Bike, das nicht jeder Zweite fährt!
Die beiden Specialized-Bikes sind relativ schnell ausgeschieden, sie sind vom Reach auf der kürzeren Seite angesiedelt, ich wollte mal etwas anderes als einen FSR-Hinterbau, Framekits gibt es bei Specialized nur in der teuren S-Works Carbon-Version und in Graz gibt es Specialized-Bikes zu Hauf.
Das YT Jeffsy ist vom Preis-Leistungsverhältnis unschlagbar, allerdings gibt es das Bike nur komplett und nicht als Framekit (dafür kostet das Komplettbike tw. weniger als bei vielen anderen nur der Rahmen). Allerdings ist es von der Geometrie her verdammt ähnlich zum Specialized Stumpjumper FSR, ist also auch auf der kürzeren Seite vom Reach und hat ebenfalls einen Hinterbau mit Horstlink der zudem extrem progressiv ist.
Das Nukeproof Mega hab ich mir schon seit dem Erscheinungsdatum dauernd angesehen und sehr viel darüber gelesen. Mit seinen 150 mm am Heck, der flachen und langen Geometrie ist es ein extrem potentes, abfahrtslastiges 29er. Ich war schon vor einem Jahr ganz kurz davor, einen Rahmen zu bestellen und hatte schon Kontakt mit Händlern. Schlussendlich hab ich mich dann dagegen entschieden, weil mein Laufradsatz nicht in den Hinterbau des Mega gepasst hat – die Kette hat wegen der 142+ Nabe am kleinsten Ritzel das Schaltauge berührt. In 148 mm Breite gibt es das Bike nach wie vor nicht. Schlussendlich hat mir auch die Optik des XL-Rahmens mit dem extrem großen Dreieck zwischen Sitz- und Oberrohr nicht besonders gut gefallen, den L-Rahmen finde ich diesbezüglich viel stimmiger.
Das Santa Cruz Hightower hat hervorragende Bewertungen, hat fast alles auf meiner Wunschliste und war deshalb auch lange in der ganz engen Auswahl. Optisch ist es für mich eines der schönsten Bikes überhaupt und die Geometrie ist fast perfekt. Das durchgehende Sitzrohr findet man sonst nirgends, die Kettenstreben sind auf der kürzeren Seite und der Reach passt auch. Der einzige kleine Kritikpunkt ist der etwas auf der steileren Seite angesiedelte Lenkwinkel von 67° mit einer 140 mm Gabel und die fehlende Möglichkeit einen Winkelsteuersatz zu verbauen. Das macht den ganzen Rahmen nicht sehr zukunftssicher und da er leider auch nur mit Rockshox Monarch im Framekit verfügbar ist, ich gerne einen etwas potenteren Dämpfer hätte und der Rahmen auch – da Carbon – außerhalb meiner Preisvorstellungen ist, hab ich mich schlussendlich dagegen entschieden.
Geworden ist es somit das Banshee Prime und zwar das 2017er Modell (das 2016er ist von der Geometrie nahezu identisch, auch gleich schwer und unterscheidet sich nur optisch). Es erfüllt sämtliche Kriterien auf meiner Nice-to-have-Liste mit Ausnahme des Flaschenhalters – diesen gibt es nur auf der Unterseite vom Unterrohr, unwahrscheinlich, dass ich diese Option je nutzen möchte. Der Rahmen hat wechselbare Ausfallenden, kann mit unterschiedlichen Nabenbreiten und auch Laufradgrößen (650B+, 29, 29+) gefahren werden, sogar ein Winkelsteuersatz wäre möglich. Die Geometrie kann zusätzlich in wenigen Minuten von normal auf flach umgestellt, Lenk- und Sitzwinkel ändern sich dabei um ca. 0,5°. Verfügbar ist der Rahmen wahlweise mit Rockshox Monarch+ oder mit Cane Creek DB Air CS. Entschieden hab ich mich für die letztere Variante, allerdings wurde der falsche Dämpfer geliefert und deshalb ist auf den Fotos noch der Monarch+ montiert (der übrigens auf den ersten Testfahrten auch ausgezeichnet funktioniert hat).
Gestern Abend hab ich dann noch ein altes Foto von meinem Stumpjumper FSR aus dem Archiv geholt und mit dem Prime überlagert. Die Unterschiede sind deutlich geringer als erwartet. Das Prime ist zwar länger und einen Tick flacher, die Positionen von Griffen und Sattel sind jedoch komplett identisch. Gerade die identische Lenkerposition fasziniert mich, ich hab vorher keine Maße genommen und alles nur nach persönlichem Gefühl aufgebaut.
Das Tretlager vom Prime ist einen Tick weiter hinten – somit ergibt sich ein etwas steilerer effektiver Sitzwinkel. Trotz der für mich sehr überraschenden Ähnlichkeiten – ein Bike besteht nicht nur aus dessen Geometrie, maßgeblich zum Fahrgefühl trägt auch die Veränderung der Geometrie aufgrund der Hinterbau-Kinematik bei und die unterscheidet sich dann doch wieder gravierend.
Für die, die bisher alles gelesen haben und noch mehr Details wissen wollen – das sind die Komponenten die ich ausgewählt habe: XT-Bremse, 1×11 XTR-Schaltung, 11-46 Sunrace-Kassette, Race Face Turbine Cinch Kurbel mit 30er Oval-Blatt von Absolute Black, Superstar NanoX Pedale, Sixpack Skywalker Vorbau, Syntace Vector Lenker, Vecnum Moveloc 200 Sattelstütze, 150 mm Fox 36, Rockshox Monarch+ (geplant Cane Creek DB Air CS), vorne Onza Ibex, hinten Maxxis Minion DHRII. Das Bike wiegt so wie es dasteht 14,5 kg.
Tadaaaaaaa, jetzt noch die Fotos: