24 hours – 24 emotions @ 6pm – Intro

18 Uhr ist eine ganz besondere Uhrzeit um im Freien zu sein. Zu diesem Schluss bin ich gestern gemeinsam mit einer lieben Freundin gekommen. Warum? Nun, im Herbst ist es die Zeit nach Sonnenuntergang, an der man bei Schönwetter zum Einen eine wundervolle abendliche Stimmung und zum Anderen im Gastgarten am Schlossberg unter einer wohlig warmen Decke noch die letzten Tropfen des “Nachmittagsspaziergang-Kaffees” genießen kann. In der Vorweihnachtszeit trifft man sich vielleicht gerade mit Freunden zum gemeinsamen Plaudern und Glühwein trinken. Im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden, schafft man es, die alltägliche After-Work-Outdoor-Sportbetätigung zum Glück wieder ohne Verwendung einer Helm- oder Stirnlampe zu genießen und im Sommer freut man sich – entspannt auf einer Decke oder am See liegend und mit der Hand den Rücken eines lieben Menschen streichelnd – dass die drückende Nachmittagshitze endlich erträglicher wird…

Was hat das alles mit Fotografie zu tun? Auf den ersten Blick: gar nichts.

Dieses “Herumphilosophieren” hat mich aber auf die folgende Idee für eine Fotoserie gebracht: Wie wäre es, wenn man die eigene Fotosammlung einmal nicht nach den sonst üblichen Gesichtspunkten “Event, Erlebnis, Ort oder Thema” sondern rein nach dem Filterkriterium “Uhrzeit” betrachtet? Ziel dieses Artikels soll also sein, aus allen Fotos die irgendwann einmal zwischen 18:00 und 18:59 Uhr entstanden sind, eines auszuwählen und zu veröffentlichen. Dass sich daraus, unter der Voraussetzung, dass man für jede Stunde ein paar Fotos zur Auswahl hat, sehr leicht eine Serie mit 24 Fotos machen lässt, ist naheliegend.

Ein Bild für jede Stunde des Tages.

Gesagt, getan – Datenbanken können solche Fragestellung zum Glück ja mit ein paar Klicks beantworten. Doch bereits die erste Abfrage bremste meine anfängliche Begeisterung: über 4800 Treffer! Gibts doch nicht… ich scrollte über den Bildschirm und wurde mit den unterschiedlichsten Motiven bombardiert. Nackte Haut, Müll, Gruppenfotos, Müll, Nachtaufnahmen, Urlaubsschnappschüsse, Müll, Sonnenuntergang, Müll, Testbilder von Kamera- und Objektivtests… wie in aller Welt sollte ich daraus nun mein 18-Uhr-Foto aussuchen? Es war schon sehr spät und so legte ich die Idee vorübergehend beiseite.

Der Auswahlprozess

Nachdem ich nun eine Nacht darüber geschlafen hatte, ist mir klar geworden, dass mir bereits der erste Absatz in diesem Artikel, die vollständige Antwort auf das passende Auswahlkriterium liefert. Für uns machten gestern Erinnerungen aus der Vergangenheit und Gefühle aus der Gegenwart diese 18-Uhr-Stunde zu etwas ganz Besonderem. Mit einem Wort: Emotionen. Das einzige richtige Auswahlkriterium kann also nur eine Emotion sein. Dass das Betrachten von Fotos Emotionen auslösen kann, ist nichts Neues. Unterscheiden muss man sie meiner Meinung nach wie folgt:

  • die Emotionen eines Außenstehenden also eines unabhängigen Betrachters
  • die Emotionen einer Person die während der Erstellung des Fotos anwesend war, also den Moment sozusagen miterlebt hat
  • die Emotionen des Fotografen selbst, also meine Erinnerung an den Moment an dem ich das Foto gemacht habe. Dabei drängte sich bei mir sofort die Frage auf: Entsprechen MEINE Emotionen bei der Betrachtung eines MEINER Fotos den Emotionen die mich dazu gebracht haben den Auslöser zu drücken?

Zweifelsohne wurden hier zahlreiche Fotos nicht nur deshalb veröffentlicht, weil sie mir gefallen, sondern auch um bei euch gezielt bestimmte Emotionen zu erzeugen.

Ich fotografiere weil ich nicht singen kann.

Es ist einfach eine besondere Art mich auszudrücken. Genau dies versuche ich bei dieser Serie nun aber auszuklammern. Ich möchte einfach Fotos auswählen, die mich an einen besonderen Moment in meinem Leben erinnern, einen Moment an dem ich besonders gefühlt habe oder im nachhinein besonders fühle, ein Moment der es Wert ist geteilt zu werden…

Ich glaube das wird eine sehr persönliche Serie…

Ich setzte an dem Punkt fort wo ich am Abend zuvor aufgehört hatte. 4800 Treffer, chronologisch sortiert, die ältesten Fotos zuerst. Ich begann wieder mit dem Scrollen. Ich versuchte mich auf einzelne Thumbnails zu konzentrieren und mich sofort an den Moment zu erinnern… gleichzeitig spürte ich wie eine unglaubliche Reihe von Emotionen auf mich einwirkten. Erlebtes und Gefühltes aus meiner Vergangenheit sprang mir beim Durchscrollen wie im Zeitraffer entgegen und die unterschiedlichsten Gefühle wechselten sich rasend schnell ab. Je länger ich scrollte und je intensiver ich mich auf einzelne Thumbnails konzentrierte desto intensiver wurden die Emotionen. Ich konnte mein Herz nicht nur schlagen hören, sondern ich konnte es richtig fühlen. Ich beobachtete mich dabei bei welchen Fotos ich inne hielt und sie vielleicht sogar vergrößerte um sie in voller Bildschirmgröße auf mich wirken zu lassen. Meistens waren es Menschen aus meinem Umfeld zu denen ich eine besondere Beziehung habe oder hatte, oder aber Fotos mit denen ich ein besonderes Erlebnis verband. Fotos von fremden Leuten, auch wenn sie aus fotografischer Sicht herzeigbar waren, berührten mich überhaupt nicht. Unfassbar wieviele Momente in meinem Leben mit diesem Filter “18 Uhr” plötzlich vereint wurden.

Plötzlich überkamen mich Zweifel. Hatte ich das Auswahlkriterium wirklich richtig ausgewählt? Die Fotos die mich an die persönlichsten Beziehungen erinnerten berührten mich am allermeisten und würde ich auf diese Art und Weise fortfahren, wären es zwangsweise genau diese Bilder die ich auswählen und über die ich schreiben würde. Gehören derartig persönliche Dinge in einen öffentlichen Blog? Ich dachte eine Weile darüber nach und kam zum Schluss, dass ich versuchen musste einen Kompromiss zu finden. Ich musste versuchen Bilder auszuwählen die mich zwar emotional ansprachen, aber deren Hintergrund und Geschichte trotzdem nicht zu persönlich waren, um darüber in der Öffentlichkeit zu schreiben. Trotzdem komme ich während der Auswahl der Bilder in den Genuss mich an die persönlichsten Momente nocheinmal neu zu erinneren und in sie hineinzufühlen. Was für ein Mehrwert :-)

Bis zu diesem Zeitpunkt, war ich mir nicht sicher, dass dieser Artikel jemals online gehen wird – jetzt bin ich es.

18 Uhr

Das abgebildete Foto ist am 10. Juli 2009 um 18:03 Uhr im Hafen von Triest entstanden. Es war der letzte Tag eines wundervollen Urlaubs mit  Freunden. Kai, Uli, Thomas, Martha, Gerald, Alex und Anja. Die letzten Tage waren wir nur noch zu viert. Kai, Uli, Anja und ich. Die Gedanken an diesen unbeschwerten Urlaub, das Herumblödeln und Grimassen schneiden vor der Kamera, das Herumturnen am Boot, die Sonnenuntergänge in Rovinj und der Spaziergang durch Triest bringen mich gerade so richtig zum Lächeln :-)

Das Leben ist schön.