Camp Seron – Refugio Dickson

Die Nacht

In meiner ersten Nacht auf unserer Trekking-Tour habe ich nicht all zu viel geschlafen. Es war nicht unbequem im Zelt, ganz im Gegenteil: Die Isomatte war weich und bequem, der Schlafsack geräumig und genau richtig warm. Es war viel mehr die Geräuschkulisse, die mich am Schlafen gehindert hat und nein, Doris hat nicht geschnarcht! Der Wind fegte mit einer Kraft über das Camp und unser Zelt, dass ich einfach nicht einschlafen konnte. Manchmal wurde die Zeltwand davon so eingedrückt, dass ich Angst hatte irgendwas würde kaputt werden, aber: Das Zelt hat dem Wind ohne Probleme standgehalten! Hätte ich wie Doris Ohropax verwendet, hätte ich wohl besser geschlafen.

Der Morgen

Am nächsten Morgen war es bitterkalt und es kostete mich einige Überwindung den Schlafsack aufzumachen und in die eiskalten Klamotten und Schuhe zu schlüpfen. Das erinnerte mich an die Empfehlung meines Schlafsack-Herstellers, ihn doch etwas größer zu kaufen, damit man zur Not Schuhe und Klamotten im Schlafsack wärmen kann – das wäre wohl keine schlechte Idee gewesen.

Beim Öffnen des Zelteingangs bot sich mir dann ein unerwartetes Bild: Weiß. Alles weiß. Es hatte geschneit in der Nacht und es schneite nach wie vor!

Na ja, Schnee ist mir lieber als Regen …

… hab ich mir gedacht. :-)

Danach folgte der Teil, der sich in den nächsten Tagen quasi als Morgenroutine etablieren sollte. Das Frühstück war Doris ihre Aufgabe: Ein warmer Brei, zubereitet mit Wasser, Milchpulver, Kakao, Cashew-Kerne und Mandelmus! Schmeckt lecker und gibt Energie für den Tag. Zelt abbauen und einpacken war meistens meine Aufgabe.

Die Tagesetappe

Inzwischen hatte es zum Schneien aufgehört, der Himmel war blau geworden und die Sonne hat den Schnee dahinschmelzen lassen. Ein wunderschöner Tag kündigte sich an – was für ein Glück, nach der Regenetappe am Vortag. Um 10 Uhr machten wir uns somit auf den Weg Richtung Refugio Dickson, unsere Tagesetappe seht ihr wieder in rot auf auf der folgenden Karte:

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Der Weg führte uns zuerst über wilde Wiesen, am Ufer des Rio Paine entlang Richtung Norden. Am Grün der Ebene, den weiß angezuckerten Bergen und dem blau-weißen Himmel konnten wir uns gar nicht genug satt sehen und ich musste anfänglich alle paar Meter stehen bleiben und ein Foto machen. ;-) Dass es ziemlich kalt war, störte uns nicht. Lieber kalt als verregnet und beim Gehen wird einem sowieso warm!

Mitten in einem Tümpel dann ein Guanaco-Skelett, ziemlich makaber in dieser sonst so makellosen und ursprünglichen Landschaft. Aber so etwas gehört eben zur Natur dazu, auch wenn man es nicht gewohnt ist. Wahrscheinlich waren es die Überreste, die ein Puma zurückgelassen hat (das Foto in schwarz-weiß in der Gallery unten).

Es folgte ein knackiger Anstieg und zum ersten Mal machte sich der schwere Rucksack richtig bemerkbar. Ca. 20 kg hat er gewogen und 5 kg davon waren Fotoequipment. :-) Meine Freunde haben mir dringend davon abgeraten so viel “unnötiges” Gepäck mitzuschleppen, aber was hätte ich machen sollen als leidenschaftlicher Fotograf? Ich hab vor kurzem in einem Buch einen schönen Spruch gelesen, den ich leider nur mehr aus meiner Erinnerung wiedergeben kann:

Wenn man am Ende seines Lebensweges angelangt, bereuen die meisten Menschen die Dinge, die sie nicht gemacht haben viel mehr, als jene, die sie gemacht haben.

Ich bereue es nicht, dass Kamera, 2 Objektive, Stativ und Zubehör 25% meines Rucksackgewichts ausgemacht haben! Für die fotografierenden Leser folgt hier eine kurze Liste meines Fotoequipments am Trek:

Oben am höchsten Punkt angekommen erwarteten uns zwei Überraschungen: Erstens eine spektakuläre Aussicht auf das Tal des Rio Paine und den Lago Paine und zweitens: heftiger Wind! So heftig, dass Wind für unser Verständnis eigentlich fast schon das falsche Wort dafür war. Er riss an allem, an Kleidung, Rucksack und Riemen und brachte einem beim Gehen immer wieder aus dem Gleichgewicht. Ich erinnerte mich an eine Empfehlung, die ich ein paar Tage zuvor gehört hatte:

Don’t use your rain cover! Your rucksack will get wet anyway and with the wind you will have a parachute behind of you. This is not good!

So kauerte ich mich auf also auf den Boden und versuchte den Regenschutz vom Rucksack zu entfernen, ohne, dass irgendetwas davon fliegen konnte. Keine leichte Aufgabe, aber zu zweit machbar! ;-)

Dannch führte der Weg ein kurzes Stück am Hang entlang Richtung Westen und schlängelte sich dann wieder ins Tal hinunter wo man zuerst durch Wald und später über die offene Ebene wanderte, die teilweise auch etwas sumpfig wurde. Mit etwas Balance und Stockeinsatz war es jedoch immer möglich trockene Schuhe zu behalten, denn Steine, Bretter oder sonstige Hilfsmittel waren immer in den passenden Abständen vorhanden. Sehr angenehm! Langweilig wurde es auch nie, die Landschaft war großartig abwechslungsreich.

Etwa ein halbes Dutzend Leute kamen uns im Laufe des Tages entgegen, mit einigen haben wir ein paar Worte gewechselt. Fast alle wollten den Pass überqueren, was ihnen aber nicht gelang und sie mussten nun, weil sie keine Zeit mehr hatten, den ganzen Weg zurück zum Ausgangspunkt wandern. Offenbar lag einfach noch zu viel Schnee oder der Wind war zu stark … Die Vorstellung den ganzen Weg wieder zurückwandern zu müssen, war auch für uns ein sehr frustrierender Gedanke. Aber wir hatte ja noch 2 Tage Zeit bis zum Pass und hofften einfach weiterhin auf Wetterglück.

Kurz vor 17 Uhr oder nach fast 7 Stunden erreichten wir die letzte Anhöhe vor unserem Tagesziel. Vor uns lag der wunderschöne Lago Dickson und am Ufer das gleichnamige Refugio. Eisschollen im See waren eindeutige Zeichen, dass wir dem Gletscher langsam näher kamen.

Der Abend

Das Abendprogramm verlief etwas anders als am Vortag. Erstens waren wir früher angekommen und zweitens hatten wir keinen Regen! Doris ihr erster Weg war in die Dusche ins Refugio. Ich musste in den nächsten Tagen lernen, dass ihr erster Weg nach der Ankunft am Ziel immer der in die Dusche ist, wenn meistens auch nur in die Feuchttücher-Dusche ;-) aber Hauptsache sauber, egal wie hungrig sie war. Danach gab es wieder Fertigfutter aus dem Packerl und nachdem ich auch noch die Reste vom gekochten Essen von Selina und Norman ausessen durfte, war ich sogar satt! Den Rest des Abends haben wir mit vielen lieben und netten Menschen im Refugio verbracht und sogar Dosenbier (Cerveza Austral – Patagonia Pale Ale) vom Kiosk geschlürft, bevor wir dann wieder in unsere Schlafsäcke im Zelt gekrochen sind. Schon wieder ein guter Trekking-Tag!

Ich könnte mich daran gewöhnen!