Camp Perros – Camp Paso

Der Morgen

Tag 4 auf unserem Trek begann früher als sonst. Der Guardaparque (Parkaufseher) hatte am Vorabend angekündigt um 8 Uhr mit der Gruppe den Paso John Garner überqueren zu versuchen und so sind wir rechtzeitig aufgestanden um ausreichend frühstücken zu können und Zelt, Schlafsack usw. ohne Stress zusammenpacken zu können. Auch die anderen im Camp waren schon recht früh auf, alle wollten rechtzeitig abmarschbereit sein. Eine gewisse Anspannung und vielleicht sogar eine Spur Angst lag in der Luft. Angst vor dem Wind, der immer wieder Leute daran hinderte den Pass zu überqueren und Angst vor den knietiefen Schlammlöchern und den hüfttiefen Schneefeldern, die es am Weg zum Pass zu durchqueren galt. Neidisch blickte ich auf jene, die mit Gamaschen ausgestattet waren, hatte ich doch meine aus Gewichtsgründen zu Hause gelassen. Im nächsten Camp gab es keine Möglichkeit Sachen zu trocknen und ich wollte deshalb auf keinen Fall nasse Füße bekommen. Deshalb hatte ich die Idee meine Wanderhosen mit Tape rundherum an die Schuhe zu kleben, in der Hoffnung, dass mich dies vom Gröbsten verschonen würde. Gedacht, getan – hat zwar komisch ausgeschaut, aber ich hab damit auch einige zum Nachmachen angeregt! ;-)

Hinauf auf den Pass

Pünktlich um 8 Uhr holte uns der Guardaparque ab und so begann die Königsetappe der Tour: Die Passüberquerung. In den Wochen davor während der Vorbereitung und vor allen Dingen in den Tagen vor dem Trek hatten wir uns vor dieser Etappe am allermeisten gefürchtet. Es war für uns wichtiger geworden, diesen Pass zu überqueren, als den ganzen Trek zu beenden.

Gleich von Beginn an ging es steil den Wald hinauf. Der Guardaparque war ohne Rucksack unterwegs und wohl auch ein trainierter Bergwanderer, mit seinem Tempo konnte ich von Anfang an nicht mithalten und so zog sich das Feld gleich von Beginn an ziemlich auseinander. Ich spürte wohl auch die Anstrengung der vergangenen Tage… schön öfter hab ich gehört, dass der 4. Tag auf Mehrtagestouren besonders anstrengend sein soll, zumindest auf meiner Transalp vor ein paar Jahren, war es genauso.

Bereits nach kurzer Zeit begann der Untergrund schlammig zu werden, der Boden war total durchweicht, teilweise glich der Wanderweg fast schon einem kleinen Bach. Man musste sich von Stein zu Stein und von Wurzel zu Wurzel hanteln, immer mit den Stöcken nach Punkten suchend, in denen sie nicht sofort einsanken und man Gefahr lief das Gleichgewicht zu verlieren. Trotzdem war es mit etwas Geschick möglich, die Schuhe maximal bis zu den Knöcheln im Schlamm zu versenken. Ich fragte mich, wann wohl die Passage mit dem knietiefen Schlamm kommen würde, von der der Guardaparque am Vortag gesprochen hatte und erst wie sich die Bäume lichteten und wir langsam an die Waldgrenze kamen – glaubte ich, dass das bereits alles war und er wohl etwas übertrieben hatte. Was für ein Glück für uns…

Oberhalb der Waldgrenze wurde der Untergrund steinig und lose, zwischendurch galt es kleinere Schneefelder zu durchqueren, jedoch nichts was man nicht auch aus den Alpen kennt. Die Anstrengung spürte ich jedoch sehr deutlich, der Rucksack war schwer und wie dann auch noch der Wind immer stärker wurde musste ich immer wieder kleine Verschnaufpausen einlegen. Motivierend wirkte unser erstes Tagesziel – der Pass – am Horizont über uns, der langsam immer näher kam, aber auch die großartige Aussicht auf die umgebenden herunterhängenden Gletscher und das Ankämpfen-wollen, gegen die Naturgewalt – dem Wind. Der zeigte sich von seiner bisher heftigsten Seite, aber man kam noch gehend und sich auf den Stöcken abstützend vorwärts und musste nicht kriechen, wie wir es in anderen Reiseberichten gelesen hatten – schon wieder Glück für uns!

Endlich oben

Und so gelang es uns, nach etwa 3 Stunden den höchsten Punkt des Treks zu erreichen. 3 Stunden für nur 600 Hm – unglaublich lange, nicht wahr? Nur 1.180 m war er hoch, niedriger als der Schöckl, unser Hausberg in Graz, aber für uns trotzdem der absolute Höhepunkt der bisherigen Tour. Der Pass selbst war lediglich ein lang gezogener recht flacher Übergang mit einem kleinen spitzen Stock, der den den höchsten Punkt markierte. Viel spektakulärer war das, was auf der anderen Seite, also vor bzw. unter uns lag: Gletschermassen soweit das Auge reichte – der gewaltige Glaciar Grey. Das Gefühl mit diesem großartigen, erfüllenden Anblick so abrupt “konfrontiert” zu werden, ist schwer zu beschreiben und es gibt sehr wenige Erlebnisse in meinem Leben, die ein ähnliches Gefühl hinterlassen haben.

Abstieg zum Camp

Nachdem wir alle uns auch gegenseitig fotografiert hatten, begann der Abstieg auf die andere Seite – der Guardaparque erinnerte uns noch einmal daran auf dem steilen und rutschigen Weg daran vorsichtig zu sein, am Vortag hatte sich erst wer verletzt. Wir ließen uns also Zeit, waren vorsichtig, nutzten die Stöcke, hielten uns an den überall wachsenden Südbuchen fest und genossen den Anblick der gewaltigen Eismassen unter uns, denen wir uns Schritt für Schritt näherten.

Später wurde der Weg wieder flacher und er verlief durch einen herrlich ursprünglichen Wald, zum ersten mal dachte ich im Urlaub an mein Mountainbike. ;-)

Camp Paso

Das Tagesziel war das Camp Paso, ein mitten im Wald auf mehreren Etagen und zwischen Bäumen und kleinen Bächen angelegtes Camp. Es war wieder wie ausgestorben und da einige der Leute, die in der Früh mit uns aufgebrochen waren, gleich weiter zum Refugio Grey wanderten, verringerte sich die Anzahl derer, die mit uns die Nacht im Camp Paso verbrachten, auf ein halbes Dutzend. Wir kochten im kleinen Unterstand unseren Travellunch, der uns nach wie vor vorzüglich schmeckte und alberten mit dem weiblichen 3er-Gespann Emily, Grace und Kirsty – die immer noch Gemüse zum Verkochen dabei hatten. Unglaublich was die 3 Mädels immer Leckeres und Abwechslungsreiches aus ihren Rucksäcken in den Kochtopf zauberten.

Danach machten wir noch einen kleinen Abendspaziergang und erkundeten die Umgebung, genossen es, ein paar Augenblicke sich auch einfach nur mal hinzusetzen und den Blick über die Eismassen schweifen zu lassen, die ca. 100 m unterhalb von uns das gesamte Tal ausfüllten.