Camp Paso – Refugio Paine Grande

Die Nacht

… im Camp Paso verlief leider etwas unruhig. Grund dafür war eine sehr ungewöhnliche Geräuschkulisse. Nein, dieses mal war es nicht der Wind! In fast schon regelmäßigen Abständen ertönten sehr tiefe, dumpfe, kurze, schlagähnliche Geräusche, welche von seltsamen Vibrationen begleitet wurden, die man am ehesten mit dem Bass in Discotheken vergleichen konnte. Für den Ängstlichen oder die Ängstliche war natürlich klar: Da nähert sich gerade mit riesigen Schritten ein Mammut aus der Eiszeit und lässt den Boden erbeben. :-D

Wir haben erst einige Tage später eine mögliche Erklärung im Gespräch mit einem anderen Trekker erhalten: Vermutlich stammten die ungewöhnlichen Geräusche vom Gletscher, der ja nur wenige 100 m von uns entfernt war und sich natürlich auch ständig bewegt.

Erste Teiletappe: Zum Refugio Grey

Der Tag begann leider regnerisch und das lästigste daran war, dass wir wieder mal das Zelt nass zusammenpacken mussten. Zum Frühstücken gab es aber einen kleinen Unterstand und so konnten wir in Ruhe auch die Regenausrüstung anziehen. Kurz vor 10 Uhr machten wir uns schlussendlich auf den Weg. Geplant war eine doppelte Etappe, einmal ca. 10 km bis zum Refugio Grey und danach noch einmal 11 km zum Refugio Paine Grande. Am Refugio Grey wollten wir gegen Mittag ankommen und dort etwas zu Mittag essen – eine Abwechslung zum selber Kochen.

Der Weg verlief am Anfang großteils bergab, zwischendurch jedoch mit recht knackigen Gegenanstiegen gespickt. Das Wetter gab nicht all zu viel her, wie ihr an den Fotos sehen könnt, obwohl wir an einigen sehr spektakulären Aussichtspunkten auf den Glaciar Grey vorbeikamen. Am aufregendsten waren zwei Hängebrücken die über eine Schlucht verliefen. Derartige Konstruktionen hatten wir bisher noch nicht am Trek erlebt. Von einer konnte man direkt auf die Front des Gletschers blicken, dort die Kamera auszupacken und ein Foto zu machen war im Wind kein einfaches Manöver!

Es nieselte und regnete abwechselnd und sozusagen permanent. Aber auch nasse, ursprüngliche Wälder können schön und abwechslungsreich sein und da es auch ziemlich kalt war, man unter der Regenjacke nicht all zu sehr schwitzte, machte uns das Wetter gar nicht so viel aus.

Gegen 13 Uhr erreichten wir schließlich das Refugio Grey am gleichnamigen See und erlebten fast einen Kulturschock. Man muss wissen, dass wir nun auf den westlichsten Punkt des W-Treks gestoßen waren. Selbiger ist die Trekking-Variante im Torres del Paine Nationalpark, die am häufigsten gewandert wird. Das Refugio war im Vergleich zum Refugio Dickson riesig, fast schon wie ein Hotel, mit Speisesaal, Leder-Couches, Bar, großer Küche, Lobby, WLAN, einem eigenen Snack-Store und es wimmelte von Leuten. Bisher hatten wir auf dem Trek jede Gelegenheit genutzt uns mit den Leuten, die wir getroffen haben, auszutauschen. Hier hatten wir plötzlich das Gefühl in einem Bienenstand gelandet zu sein und Spirit und Ruhe waren irgendwie nicht mehr vorhanden. Mittagessen? “Ist schon aus”, antwortete uns eine Kellnerin fast im Vorbeigehen mit einem Tablet voller Mahlzeiten das den an den Tischen sitzenden Leuten serviert wurde.

Keine Reservierung? Kein Essen.

“Wir sollen in den Snack-Store gehen”, lautete die Empfehlung. Dort angekommen, standen wir vor einer verschlossenen Tür. “Mittagspause”, sagte uns jemand. Wie lange wusste keiner. Unsere Enttäuschung war groß und wir wollten eigentlich so schnell wie möglich weg, einfach weiter, in der Hoffnung, dass es im Refugio Paine Grande besser war. Aber etwas mussten wir vorher essen und so haben wir im Snack-Store, nachdem er wieder aufgesperrt hatte, das einzig Sinnvolle gekauft, was wir gefunden haben: Ein Packerl Nudel, Thunfisch, Parmesan und 2 Snickers. Für umgerechnet ca. 15 Euro. So wurde also wieder der Camping-Kocher ausgepackt und selbst gekocht und großartig hat es geschmeckt! Sicher viel besser als das Essen im Refugio!

Zweite Teiletappe: Zum Refugio Paine Grande

Vielleicht lags ja am Essen, aber da in der Zwischenzeit auch die Sonne heraus gekommen war, schaute der Tag gleich viel freundlicher aus und so starteten wir gestärkt und motiviert kurz vor 15 Uhr und nach einem Besuch am naheliegenden Ufer des Lago Grey Richtung Refugio Paine Grande. Die Umgebung änderte sich fast schlagartig. Wir wanderten nun durch das Gebiet, welches vor ein paar Jahren durch eine Unvorsichtigkeit eines Trekkers völlig abgebrannt war. Damals hatte es mehrere Monate gedauert um das Feuer unter Kontrolle zu bringen und die Spuren davon konnte man auf jedem Meter noch sehen. Sträucher und Gräser hatten sich zwar schon lange davon erholt, aber die abgebrannten Bäume boten einen traurigen Anblick.

Es gab einige größere Gegenanstiege zu überwinden und deshalb erreichten wir wieder eine beachtliche Höhe über der Wasseroberfläche des Lago Grey und dementsprechend auch großartige Aussichtspunkte die sich ob des besseren Wetters auch super für Fotos eigneten!

Wir blickten auch immer wieder zurück zum gewaltigen Gletscher, nach und nach verschwand er aber aus unserem Blickfeld und so blieb uns nichts anders übrig als nach vorne zu schauen und das machten wir mit großen Erwartungen, denn angeblich begann ja jetzt erst der richtig schöne Teil der Wanderung.

Auf dem Hochplateau zwischen Lago Grey und Lago Pehoe hatten wir mit kräftigem Rückenwind zu kämpfen. Auf den Fotos kommt das leider gar nicht rüber, aber scrollt mal nach oben und schaut euch den kleinen Baum in der rechten unteren Ecke an… Man musste wirklich alles festhalten, wenn man nicht riskieren wollte, dass es davonfliegt!

Gegen 19 Uhr erreichten wir schließlich das am Lago Pehoe gelegene Refugio Paine Grande nachdem uns der Weg durch ein langes Tal vom Hochplateau hinunter an den See geführt hatte. Die Sonnenuntergangsstimmung war großartig und hungrig und müde schleppten wir uns zuerst zur Anmeldung um danach gleich unser Zelt aufzubauen. Leider vermittelte das Refugio Paine Grande einen noch unsympathischeren Eindruck als das Refugio Grey. Noch größer, noch unfreundlicher, noch viel mehr Leute. Frühstück buchen für den nächsten Tag führte zum gleichen Ergebnis wie ein paar Stunden vorher.

Keine Reservierung? Kein Essen.

Im Snack-Store kauften wir wieder um teures Geld ein paar Lebensmittel und kochten dann in der großen “Ess- und Kochhalle” unser Abendessen. Alles fühlte sich seltsam an. Bisher noch bemüht peinlichst jedes noch so kleine Stück Müll einzupacken sah man hier Leute die ohne zu überlegen den ganzen Müll ungetrennt in die Tonnen warfen, die sicherlich wieder mit viel Aufwand aus dem Park transportiert werden mussten. Es war unsympathisch, unpersönlich und irgendwie einfach falsch und fremd, was wir hier erlebten.

Zum Glück haben wir nicht nur das W, sondern den ganzen Circuito gemacht, sonst hätten wir den wunderschönen, einsamen Teil hinten gar nicht erlebt!

… darüber waren wir uns beide einig.

Ende gut alles gut

Trotzdem möchte ich den Bericht über unseren 5. Trekkingtag positiv abschließen, es gab nämlich zwei besondere Erlebnisse an diesem Abend, an die ich mich sicher noch lange erinnern werde: Erstens haben wir nach dem Abendessen zufällig Clemens aus Deutschland und Rebecca aus Neuseeland kennengelernt, mit denen wir nicht nur in den darauffolgenden Tagen, sondern auch nach dem Trek noch viel Zeit verbracht haben und die uns beide sehr ans Herz gewachsen sind! Und zweitens hatte ich eine Begegnung der ganz besonderen Art, von der wahrscheinlich viele Besucher von Patagonien nur träumen können: Ich habe einen Puma gesehen! Das menschenscheue Tier, welches in Patagonien in der Bevölkerung in etwa den Stellenwert des Löwen in Afrika oder des Tigers in Asien hat, streifte in der Abenddämmerung keine 100 Meter vom Refugio entfernt durch die hohen Gräser auf der Suche nach Beute. Die Kamera war fast griffbereit im Rucksack aber irgendwie wollte ich nicht die kostbaren Augenblicke für ein wahrscheinlich schlechtes Foto opfern. Es war mir einfach wichtiger die kurze Zeit, in der die mächtige Großkatze zu sehen war, vollständig aufzusaugen und zu genießen um ihn ja nie zu vergessen – denn so ein Moment ist tatsächlich einzigartig!